Verlage und das Internet
Die klassischen Verlage, die im Print-Zeitalter gross geworden sind, haben bis heute Schwierigkeiten
damit, in der veränderten Welt ihren Platz zu finden oder betriebswirtschaftlich gesprochen: ein
funktionierendes Business-Modell zu entwickeln.
Der erste Ansatz, auch online zu publizieren und diese Inhalte rein über Werbung zu finanzieren,
hat in den wenigsten Fällen funktioniert. Der zweite Anlauf, die Qualität der journalistischen Arbeit
runterzufahren, um die Kosten zu reduzieren und so mit dem werbefinanzierten Ansatz Gewinne einzuspielen,
hat ebenfalls nicht den erhofften Erfolg gebracht.
Augenblicklich haben die Verlage nun zwei neue Ideen. Die erste Idee: die Bezahlschranke einzuführen,
also für die Inhalte sofort oder nach einer bestimmten „Freimenge“ eine Gebühr zu verlangen. Die zweite
Idee: Von Google Geld zu verlangen für die Verwendung von Textschnipseln in Suchmaschinen. Ob diese beiden
Ideen den Durchbruch bringen, erscheint aber zweifelhaft. Zunächst einmal zur Bezahlschranke. Ein Business
Model, das am Bedürfnis des Marktes völlig vorbeigeht, hat naturgemäss immer sehr schlechte Chancen – und
genau über so eine Situation sprechen wir hier. Der durchschnittliche User erwartet im Internet kostenlose
Informationen, ist sogar der Meinung, dass ihm das zusteht. Er ist noch nicht einmal bereit zu akzeptieren,
dass um die Informationen seines Interesses herum Werbung platziert wird. Diesem User möchten die Verlage nun
vorschlagen, er soll für Content bezahlen. Für die Masse wird das nicht funktionieren. Nur wenige Konsumenten
werden bereit sein, für Informationen zu bezahlen, und diese Wenigen auch nur dann, wenn es sich um sehr
hochwertige, gut recherchierte Informationen handelt, die nicht allgemein kostenlos zugänglich sind. Man darf
also skeptisch sein. Die andere Idee, von Google Geld zu verlangen, ist vom Grundsatz her nicht nachvollziehbar.
Die heutigen Online-Erträge der Verlage kommen aus den Werbeeinnahmen. Diese sind direkt
abhängig von der Anzahl Besucher auf Websites. Ein signifikanter Teil dieser Besucher kommt über Suchmaschinen, also
vor allem von Google. Wie kommen die Verlage auf die Idee, Google müsste dafür bezahlen, um Traffic liefern zu dürfen?
Das Resumé ist, die Zukunft der Verlage sieht nicht gerade rosig aus. Aber gilt das für alle Verlage? Nein,
verallgemeinern kann man das sicher nicht. Obwohl die meisten der etablierten Verlage weiterhin Probleme damit
haben werden, funktionierende Business Models zu finden, wird es aber auch unter diesen Unternehmen solche
geben, die etwas besser machen als andere und die erfolgreich sein können. Dann gibt es noch einen anderen Gedanken,
den man aufgreifen sollte: Das Internet hat wieder Chancen für kleine Verlage eröffnet, die sich auf Online
konzentrieren.
Als Beispiel für diese kleinen Verlage wollen wir uns Carpe Media in Zürich betrachten. Das 2008 gegründete
Unternehmen sieht sich als Special Interest Verlag, spezialisiert auf digitale Plattformen und darauf aufbauende
Communities. Man konzentriert sich bei Carpe Media auf Themen mit hoher gesellschaftlicher Relevanz, die Potenzial
für viele Besucher bieten. Als erstes wurde das Thema Familie in Angriff genommen, das ganz sicherlich in diese
Strategie passt. Im Jahr 2009 ging das erste Projekt online, die Familien-Website www.familienleben.ch.
Inzwischen gehört diese Familien-Plattform zur Spitze in diesem Markt und ist ein gutes Beispiel dafür, wie das
Produkt eines kleinen Newcomer-Verlages sich mit den Produkten der etablierten Verlage messen kann. Da sich die
Tätigkeit von Carpe Media auf Online-Publikationen beschränkt, muss das Projekt finanziell erfolgreich sein, sonst
hätte das Unternehmen die ersten 5 Jahre nicht überleben können. Ein weiteres Indiz dafür, dass die Rechnung auch
finanziell aufgegangen ist, ist die Fortführung der Strategie mit der Einführung der Nachhaltigkeits-Plattform www.nachhaltigleben.ch,
im Jahr 2011. Der Schutz der Umwelt liegt der Schweizer Bevölkerung sehr am Herzen, es ist also wieder ein Thema
von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Trotz diesem allgemeinen Interesse gehen die Ansichten weit auseinander,
wenn es darum geht, wie sich ökologische Probleme lösen lassen, was der Einzelne beitragen kann und was unter
Nachhaltigkeit zu verstehen ist. Hohes Interesse, grosser Informationsbedarf und kontroverse Diskussionen kennzeichnet
das Thema Nachhaltigkeit. Ideale Voraussetzungen für eine Nachhaltigkeits-Plattform. Und wer hat sie geschaffen? Kein
grosser etablierter Player, sondern ein kleiner KMU-Verlag, gegründet von zwei erfahrenen Medienschaffenden mit
Visionen.
Wen wundert es jetzt noch, dass Carpe Media 2012 eine dritte Online-Plattform an den Start schickte: das
Frauen-Magazin www.femininleben.ch.
Hier geht es um alles, was die moderne Frau bewegt. Schwerpunkte liegen also vor allem, aber bei weitem nicht
nur, auf den Themen Mode, Beauty und Lifestyle.
Vermutlich arbeitet der ambitionierte Verlag bereits an weiteren Projekten. Lassen wir uns überraschen.
Nach dem Erfolgsrezept befragt, nennt Carpe Media drei Schlüsselfaktoren, die für alle Plattformen gelten sollen:
1. Gute redaktionelle Inhalte
2. Nützliche Services
3. Ein guter Dialog mit den Nutzern
Man darf gespannt sein, wie sich dieser Special Interest Verlag und viele andere solche Verlage entwickeln werden.
Vermutlich haben sie eine spannende und gute Zukunft vor sich. Zumindest bis dann durch Verdrängung, Kooperationen und
Übernahmen wieder nur ein paar Grosse übrigbleiben, die dann ihrerseits bereits schon wieder von technischen und
gesellschaftlichen Entwicklungen überholt worden sind. Aber selbst in unserer schnellebigen Zeit dauert das erst einmal wieder ein paar Jahre.
Quellen
Website der Carpe Media GmbH, Zürich
Lifestyle-Portal
Familien-Ratgeber familienleben.ch
Frauen-Magazin femininleben.ch
Nachhaltigkeits-Plattform nachhaltigleben.ch
Diverse Interviews auf persoenlich.com
Netmetrix Audit
Facebook
Bilder-Quellen
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